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Zukunft der Germanistik

Studierende unterhalten sich im Computerraum der Universität.
© DAAD/Hüttermann

Am 21.04. und 22.04.2017 fand in Riga die 4. Konferenz der Germanisten und Deutschlehrer der Ostseeanrainerländer statt. Im Rahmen dieser Tagung wurde in einer Arbeitsgruppe über die Zukunft der Germanistik in der Region diskutiert. Daraus resultierten die folgenden 10 Positionen zum Stellenwert der Germanistik und der deutschen Sprache im Ostseeraum des 21. Jahrhunderts.

Zweck der Veröffentlichung dieser 10 Positionen ist, zu weiteren Diskussionen anzuregen – zur Rolle der deutschen Sprache und der Germanistik in Nordeuropa sowie in Hinblick auf ähnliche Diskussionen in anderen Regionen und zur Lage von deutscher Sprache und Germanistik weltweit.

Die Arbeitsgruppe wurde geleitet von Dr. Heiko F. Marten, Leiter des DAAD-Informationszentrums Riga sowie Dr. Inga Probst, zu dem Zeitpunkt DAAD-Lektorin für germanistische Literaturwissenschaft  an der Universität Lettlands in Riga.

  1. Die Germanistik des Jahres 2017 ist nicht mehr die Germanistik des 20. Jahrhunderts. Wir akzeptieren, dass sich unser fachliches Selbstverständnis geändert hat, um neuen Perspektiven auf die deutsche Sprache und philologische Fächer insgesamt gerecht zu werden. Wir trauern nicht vergangenen Zeiten nach, als Deutsch z.T. eine weitere Verbreitung in der Gesellschaft, den Schulen und Hochschulen und als Lingua Franca hatte – sondern setzen positive Schwerpunkte, im Glauben an die Bedeutung, den Nutzen und die Freude an Deutsch und an Inhalten, die mit der deutschen Sprache verbunden sind.
  2. Es gibt viele gute Gründe für Menschen im Ostseeraum, Deutsch zu lernen und sich für germanistische bzw. deutschlandbezogene Themen zu interessieren. Deutsch ist eine der wichtigsten Sprachen Europas, die Sprache mit den meisten Muttersprachler/innen in der EU, eine alte Kultur- und Wissenschaftssprache in Nord-, Ost- und Mitteleuropa. Deutsch kann immer noch – in eingeschränktem Maße – eine Lingua-Franca-Funktion einnehmen. Der gesamte Ostseeraum ist mit dem deutschsprachigen Raum kulturell, politisch und ökonomisch eng verbunden – aus historischer ebenso wie aus heutiger Perspektive.
  3. Wir anerkennen, dass Studierende heute ein verstärktes Interesse an praktischen Anwendungsmöglichkeiten haben (müssen) als früher, weniger rein interessenorientiert studieren als noch vor wenigen Jahren und sehr unterschiedliche Motive für das Studium haben. Wir akzeptieren unterschiedlichste Lernbiographien und passen uns individuellen Bedürfnissen an. Wir fördern anwendungsbetonte Inhalte in unseren kultur- und sprachwissenschaftlichen Fächern, gleichzeitig bereiten wir Angebote für die Einbettung der deutschen Sprache und Themen, die sich mit deutschsprachigen Gebieten beschäftigen, in andere Studienrichtungen. Jura, Geschichte, Ingenieurwissenschaften, Philologien aller Art, Medizin und Theologie sind nur einige Fächer, in denen Deutschkenntnisse gerade in Nord- und Osteuropa von Nutzen sein können.
  4. Trotz aller Modernisierungsbestrebungen halten wir es für wichtig, dass die traditionellen Kernbereiche der Germanistik nicht völlig abgeschafft werden. Ein erfolgreich abgeschlossenes Germanistikstudium bedeutet Kompetenz in der deutschsprachigen Literatur, Sprachwissenschaft, Kultur, Gesellschaft, Politik und anderen Bereichen. Sprachkenntnisse, die unabhängig vom Wissen über die Kernregionen des Gebrauches einer Sprache erworben werden, haben einen deutlich geringeren Wert und reduzieren eine Sprache auf ein oberflächliches Instrument ohne die tiefere Kenntnis von Kontexten.
  5. Die Germanistik hat den Anspruch, dass ihre Studierenden nicht für Prüfungen oder den Erwerb eines Abschlusszeugnisses lernen, sondern für das Leben. Ein geisteswissenschaftliches Studium verschafft wichtige Kenntnisse in grundsätzlichen Arbeitstechniken und vermittelt elementare intellektuelle Fähigkeiten. Dazu gehören unterschiedlichste wissenschaftliche Methoden, Recherchekompetenz, die kritische Auseinandersetzung mit Informationen aller Art, der fundierte Umgang in Rezeption und Erstellung von Texten sowie die Aufbereitung von Inhalten. Derartige Grundkompetenzen können im Kontext von Germanistik und anderen deutschlandbezogenen Studien erworben werden – bieten die deutschsprachigen Länder doch eine Vielfalt, die zu studieren sich gerade im Vergleich mit anderen Sprachen und Kulturen des Ostseeraums sich lohnt.
  6. Wir sehen das Lernen der deutschen Sprache und die Germanistik weniger in Konkurrenz zu anderen Sprachen und Fächern als in Ergänzung. Die Rolle der englischen Sprache in Europa als Lingua Franca ist unumstritten – wir plädieren jedoch für eine Kultur der Vielsprachigkeit. Deutsch soll immer dort gebraucht werden, wo es möglich ist. Deutsch in all seinen Varianten bildet im Zusammenspiel mit anderen großen internationalen Sprachen, mit kleineren Nationalsprachen, mit Regional- und Minderheitensprachen und den Varietäten, die sich unter dem Dach einer Sprache zusammenfinden, die schützenswerte sprachliche Vielfalt Europas und der Welt.
  7. Wir setzen uns für zeitgemäße Sichtweisen von Sprachengebrauch und -lernen ein. Sprachen werden im Alltag von den meisten Menschen entsprechend ihrer individuellen Kompetenzen und Bedürfnisse gemischt. Unterricht sollte sich diesen Praktiken anpassen. Ein Germanistikstudium im Ostseeraum bedeutet aktuelle Seminare und modernen Sprachunterricht in zumeist kleinen Gruppen. Eine Arbeit nach zeitgemäßen didaktischen Prinzipien ist dabei für uns selbstverständlich, um zu erreichen, dass unsere Absolventen hervorragende Deutschkenntnisse erreichen. Außerhalb der germanistischen Kernfächer ist es unser Ziel, dass Elemente des Deutschen Teil des regelmäßigen sprachlichen Repertoires möglichst vieler Menschen sind – auch wenn diese Deutsch nur auf niedrigem Niveau beherrschen.
  8. Ein wichtiger Baustein in der Zukunft der Germanistik sind Kooperationen zwischen germanistischen Institutionen in Wissenschaft und Unterricht. Dies gilt für Institutionen innerhalb einzelner Länder, innerhalb des Ostseeraumes, in Kooperation mit dem deutschsprachigen Kerngebiet und auf globaler Ebene. Auch wenn die Bedürfnisse der Studierenden der Germanistik im deutschsprachigen Kerngebiet und in der sogenannten Auslandsgermanistik oft unterschiedlich sind, betrachten wir beide Bereiche als zwei Seiten derselben Medaille. Wir unterstützen Austauschprogramme aller Art, die gerade für Studierende der Germanistik viele Möglichkeiten bieten.
    Neben der Kooperation von germanistischen Institutionen untereinander ist die Zusammenarbeit sowohl mit den kulturellen, akademischen und politischen Partnern aller Art aus den deutschsprachigen Ländern als auch aus den Gastländern von großer Bedeutung. Der Austausch schafft Interesse für deutschsprachige Kultur und für Sprachen insgesamt und erweitert damit den Kreis von an der deutschen Sprache Interessierten. Jede Möglichkeit, die deutsche Sprache zu thematisieren und in wissenschaftliche, pädagogische und kulturelle Aktivitäten einzubeziehen, sollte genutzt werden.
  9. Jenseits der Kooperation mit akademischen, politischen und kulturschaffenden Partnern erkennen wir die Notwendigkeit, mit Vertretern der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. Die Wirtschaft kann eine Triebkraft im Interesse der deutschen Sprache sein; der enge Austausch mit Unternehmen birgt Praktikums- und  Arbeitsmöglichkeiten und andere finanzielle Chancen für Studierende und Lehrende in wissenschaftlichen Institutionen und Schulen. Gleichzeitig können Germanistik und verwandte Studienfächer mit ihren Erkenntnissen in Wirtschaftsunternehmen hineinwirken. Dies gilt insbesondere für den Ostseeraum, wo ein Bewusstsein für die Bedeutung des Deutschen bei vielen Menschen auch heute vorhanden ist.
  10. Germanistik kann nur erfolgreich sein, wenn sie nach außen sichtbar ist. Als Germanistinnen und Germanisten, als Deutschlehrerinnen und -lehrer, als Vertreterinnen und Vertreter anderer Fächer mit Bezug zum deutschsprachigen Raum oder zur deutschen Sprache versuchen wir, auf die Faszination, die die deutsche Sprache ausüben kann, aufmerksam zu machen. Auf viele äußere Faktoren, die für die Germanistik und das Deutschlernen wichtig sind – z.B. Änderungen in der Schul- und Hochschulpolitik oder die Präsenz deutscher Unternehmen an einem Ort – haben wir nur bedingt Einfluss. Wir versuchen, unser Fach aktuellen Entwicklungen anzupassen und sind uns dessen bewusst, dass wir selbst entscheidend dazu beitragen können, dass die deutsche Sprache als wichtig wahrgenommen wird – und dass eine Beschäftigung mit ihr und den deutschsprachigen Ländern für alle Menschen interessant und nützlich sein kann.

Wir freuen uns über Ihre Kommentare zu den im Positionspapier formulierten Thesen. Kontaktieren Sie uns gerne über icdaad.lv!

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